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Samuel Kunz ist im Rollstuhl
Erfahrungsberichte

Das Smartphone – auch für Menschen im Rollstuhl ein idealer Begleiter

Es passierte damals in der Badi – ein Moment der Unachtsamkeit reichte, und Samuels Leben veränderte sich schlagartig. Welche Hilfsmittel sind für ihn relevant, und welche Rolle spielt das Smartphone im Leben des 33-Jährigen?

Durch einen Unfall vor fünf Jahren wurde Samuel Kunz zum Tetraplegiker. An einem warmen Sommerabend war er mit seinen Kollegen in einer Zürcher Badi unterwegs. Plötzlich rutschte Samuel auf dem Holzsteg aus und fiel kopfüber in den Fluss. Dabei schlug er mit dem Kopf gegen einen Betonfortsatz unter dem Steg. Samuel trieb regungslos im Fluss und wurde nur dank couragierten Menschen aus dem Wasser gerettet. Zwei Tage später wachte er im Unispital wieder auf und konnte sich nicht mehr bewegen. Die Diagnose war Tetraplegie mit Bruch des vierten und fünften Halswirbels. «Das ich noch lebe, grenzt an ein Wunder», sagt Samuel. Denn der erste Halswirbel, der Atlas, war dreifach gebrochen – «ich hatte Glück, dass sich die Wirbel nicht zusätzlich verschoben.»

Der Balgrist als Ort des Austausches

Am Anfang war ich unsicher, was auf mich zukommt. Meine Familie,die Kolleginnen und Kollegen besuchten mich auf der Intensivstation – das tat mir sehr gut. Ich hatte die Hoffnung, dass ich insbesondere in den ersten paar Monaten einen Teil meiner motorischen Funktionen zurückgewinnen würde. Nach der Operation und zehn weiteren Tagen kam ich dann ins Zentrum für Paraplegie der Universitätsklinik Balgrist. Dort verbrachte ich insgesamt neun Monate. Ich erlebte den Balgrist als Ort, an dem sich sehr hilfsbereite Personen täglich für mich einsetzten. Eine Therapie nach der anderen zu absolvieren, war zwar anstrengend, andererseits bot der Austausch mit Menschen auch Ablenkung. Zusammen mit anderen jungen Patientinnen und Patienten habe ich Ausflüge in die Stadt Zürich unternommen oder mich am Programm der Aktivierungstherapie angeschlossen. Erst als ich wieder zuhause ankam, wurde mir bewusst, dass ich mich wieder mit mir selbst beschäftigen musste. Das fiel mir schwer. Ich rede gerne offen über das Geschehene und werde deswegen oft von Institutionen angefragt. Dann erzähle ich meine Geschichte bei Projektwochen in Schulen oder vor Konfirmanden in der Kirche.

Aus Spontanität wird Planung

Es gelingt mir nicht jeden Tag gleich gut, positiv zu bleiben. Es gibt sogar Tage, da  spüre ich, dass ich nicht so weiterleben möchte – da habe ich Null Energie. Das Leben ist anstrengend, weil man ohne Hilfe einfach nicht zurechtkommt. Ich mache meine Wochenplanung selbst, das heisst auch, dass ich aktiv bleiben und die Woche gut organisieren muss. Die Pflege aufbieten, wenn ich sie benötige oder zwischendurch Kollegen anrufen, wenn ich Hilfe brauche. Ich muss auch schauen, dass ich zu meinen Mahlzeiten komme.

«Vor meinem Unfall habe ich die Spontanität geliebt und deshalb oft kurzfristig entschieden, etwas zu unternehmen. Nun verbringe ich viel Zeit mit dem Planen meines Alltags.»

Das alles ist aufwändig und kräfteraubend. Morgens zwischen 7.00 und 8.00 Uhr ist die Spitex vor Ort, führt die morgendliche Körperpflege durch, setzt mich in den Rollstuhl und macht mich parat für den Tag. Danach bin ich selbständig und gehe auch zur Arbeit. Vor meinem Unfall habe ich die Spontanität geliebt und deshalb oft kurzfristig entschieden, etwas zu unternehmen. Nun verbringe ich viel Zeit mit dem Planen meines Alltags. Beispielsweise betreut mich die Spitex nur am Morgen, deswegen organisiere ich jemanden, der mich am Abend zu Bett bringt. Das Organisieren hat etwas Mühsames, Unselbständiges – ich kann fast nichts mehr aus spontaner Lust heraus unternehmen. Auch zu akzeptieren, dass fremde Pflege nun unumgänglich ist – dafür benötigte ich viel Zeit. Mittlerweile kann ich besser damit umgehen. Da ich in einer Wohngemeinschaft wohne, habe ich einen Mitbewohner, den ich vor allem in Notsituationen anrufen kann. Einmal kippte ich nach vorne und konnte mich nicht mehr selbständig aufrichten – da war ich froh, dass er zu Hilfe kam.

Computersteuerung mit dem Rollstuhl

Nach meiner Rehabilitation konnte ich das letzte Studienjahr auf zwei Jahre aufteilen, dank dem Studienabschluss kann ich heute meiner Arbeit als Maschinen-Ingenieur nachgehen. Ich arbeite vorwiegend am PC; daher war zwar keine Umschulung nötig, aber ich musste lernen, neue Hilfsmittel einzusetzen um beispielsweise Modelle zu bauen oder Einstellungen an einer Maschine vorzunehmen. Das ist heute alles dank Computer möglich.

«Meine Einrichtung am Computer ist einfach gehalten. Über meinen Elektro-Rollstuhl stelle ich eine Bluetooth-Verbindung zu meinem Computer her.»

Über meinen Elektro-Rollstuhl kann ich eine Bluetooth-Verbindung zu meinem Computer herstellen und der Joystick dient zur Steuerung der Maus. Mit dem Neigen meines Kopfes nach hinten und mittels Sensoren im Kopfkissen mache ich einen Links- oder Rechtsklick. Die Tastatur liegt nicht auf dem Schreibtisch, sondern öffnet sich virtuell am Bildschirm. Diese steuere ich mit der Maus, und das ist für einzelne Buchstaben oder Zahlen sehr praktisch. Wenn ich allerdings längere Texte schreibe, nutze ich die Sprachsteuerung. Meine Bachelorarbeit habe ich grösstenteils so geschrieben. Dank der Bluetooth-Technologie kann ich praktisch jeden Computer bedienen.

Das Smartphone erleichtert den Alltag

In meinem Alltag läuft die Kommunikation und Organisation ausschliesslich via Smartphone. Ich kann mit Papier nichts anfangen, deshalb drucke ich praktisch gar nichts aus. Ich schaffe es knapp, ein Heft umzublättern, wenn es flach auf dem Tisch liegt – im Vergleich zum Computer ist das aber mühsam. Diesen kann ich uneingeschränkt bedienen. Für die Scroll- und Wischbewegungen kann ich genug Kraft aus dem Arm heraus generieren, so dass ich das Smartphone mit meinem Daumen bedienen kann. Auch hier nutze ich bei längeren Textnachrichten den Sprachassistenten – allerdings funktioniert dieser deutlich weniger gut als beim Computer. «Da ich das Smartphone nicht ans Ohr halten kann, bin ich froh, wenn mir meine Kollegen/-innen einfach zurückschreiben.» Auch in der Wohnung gibt es zahlreiche Herausforderungen, bei denen Samuel als Tetraplegiker auf fremde Hilfe angewiesen ist. Wie öffnet man beispielsweise ein Fenster? Um dies zu bewältigen, gibt es «HouseMate». Einmal auf dem Smartphone installiert, funktioniert das Programm als Steuerungsgerät. «Ich kann es mit einem Klick bedienen und beispielsweise Storen runterlassen, das Licht anschalten oder Türen und Fenster öffnen», sagt Samuel. Wenn ich im Bett liege, kann ich das Gerät mit der Nase aktivieren. Das Programm wurde mir im Balgrist installiert und ich nutze es sehr oft in meinem Alltag.

«Ich nutze den Sprachassistenten rege. Da ich das Smartphone aber nicht ans Ohr halten kann bin ich froh, wenn mir meine Kollegen/-innen zurückschreiben.»

Während der Rehabilitation im Balgrist lernte ich eine Methode kennen, die das Essen erleichtert. Man kann eine Handschiene anlegen, damit das Handgelenk stabil ist. Anschliessend lässt sich eine Art Zange an der Schiene befestigen, die ich selbst steuern kann. Somit habe ich eine aktive Greifhilfe, mit der ich die Gabel zum Mund führen kann. Früher spielte Samuel Handball in der 1. und 2. Liga, trainierte viel und erreichte ein gutes Leistungsniveau. Dem Handball-Sport ist er treu geblieben – heute als Trainer einer Plausch-Mannschaft der 4. Liga in Frauenfeld. Das Team trainiert zwar selbständig, er unterstützt die Truppe aber während den Spielen. Spielstrategie und taktische Ausrichtung sind seine Aufgaben. «Ich kümmere mich um die Aufstellung, wechsle Spieler aus und beobachte den Gegner.» Für lautes Schreien oder um die Spieler zu motivieren – dafür reicht seine Stimme leider nicht mehr aus. «Da habe ich zu wenig Bauchmuskeln», weiss Samuel. Er geht trotzdem regelmässig ins Kraft- und Ausdauertraining, um ein gewisses Level an Kraft zu erhalten.

Hilfsmittel im Alltag – alle Apps auf einen Blick:

  • HouseMate
  • Ginto (Barrierefreiheit für Rollstühle in Gebäuden)
  • Loxone (Smart Home Steuerung)
  • SBB-App: Handycap-Einstellungen aktivieren