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Brigitte Floer im Rollstuhl vor der Universitätsklinik Balgrist.
Erfahrungsberichte

«Ich fühle mich nicht an den Rollstuhl gefesselt»

Brigitte Flöer meistert ihren Alltag trotz diversen Hindernissen weitgehend selbständig. Die Umstellung auf den Rollstuhl sieht sie keinesfalls negativ und sagt: «Ich gebe niemals auf und freue mich ab jedem kleinen Erfolg».

Jvan Steiner, Digital Media Manager Unternehmenskommunikation

Brigitte Flöer begrüsst uns mit einem Lächeln und erzählt von ihren positiven und lehrreichen Erfahrungen in der Universitätsklinik Balgrist. Die 47-jährige lebt zusammen mit ihrem Mann im Kanton Aargau. Sie fällt durch ihre wache und positive Art auf. «Ich war schon immer so», sagt sie, und betont, dass ihr der erste Eindruck wichtig sei. Das Schönste am Morgen sei das Schminken, sagt die gelernte Kosmetikerin. Das weniger Schöne ihr tägliches Blasen- und Darmmanagement, das bis zu zwei Stunden dauern kann.

Unklare Diagnose nach Verkehrsunfall

Flöer sitzt auf dem Beifahrersitz, als es plötzlich knallt. «Ein Auto hat uns seitlich gerammt», erzählt sie. «Ich erinnere mich an zwölf Polizisten, die auf dem Platz standen, aber keiner hat die Ambulanz gerufen.» Nach dem Unfall kann sie zwar noch laufen, doch mit der Zeit setzen Beschwerden ein wie Kopfschmerzen und starke Gleichgewichtsstörungen. Eine Kollegin bringt sie schliesslich zum Hausarzt. Dieser überweist Brigitte Flöer in ein Spital. Dort wurde zuerst ein Schleudertrauma diagnostiziert. Im zweiten Spital dann die Erkenntnis: Brigitte Flöer muss neurologisch behandelt werden. Sie wird sofort ins UniversitätsSpital Zürich überwiesen. «Aufgrund einer Infektion wurde ich dann drei Mal operiert», sagt sie. Die Aargauerin verbrachte insgesamt drei Monate auf der Intensivstation, davon zwei Wochen im Koma. Als Brigitte Flöer aufwacht, kann sie es zuerst nicht glauben. Die Ärzte kommunizieren ihr, dass sie unter einer inkompletten Tetraplegie leide. «Von da an wusste ich, dass ich mein Leben umstellen musste.»
 

Bei einer Tetraplegie ist das Rückenmark in der Region der Halswirbelsäule (C1-Th1) geschädigt. Es bestehen zusätzlich zu den Problemen bei Paraplegie auch Einschränkungen an den Armen, im Schulter-/Halsbereich und deutlicher der Atmung. Störungen der Blasen-, Sexual- und Mastdarmfunktion sowie der Herz- und Kreislaufsysteme bestehen wie bei der Paraplegie; die Störungen des vegetativen Nervensystems sind in der Regel gravierender als bei der Paraplegie und können lebensbedrohlich werden.

Allen Schmerzen und widrigen Umständen zum Trotz sieht sich Brigitte Flöer keinesfalls an den Rollstuhl gefesselt. Sie habe ihr Schicksal von Anfang an akzeptiert und sich immer vorwärts orientiert. Diese Denkweise gebe ihr Halt und so freue sie sich über jeden kleinen Fortschritt. «Aufgeben ist für mich noch nie in Frage gekommen», gibt sie sich selbstbewusst. Brigitte Flöer war schon immer eine Macherin. «Nach der Umstellung auf den Rollstuhl wollte ich unbedingt zurück ins Berufsleben.» Sie absolviert zwei Tage in der Woche eine Weiterbildung in Verkaufs- und Marketingplanung und arbeitet Teilzeit in der Firma ihres Sohnes.

Trotz Barrieren gerne auf Achse

Nach der Zeit im Unispital Zürich kommt Brigitte Flöer zur Rehabilitation nach Nottwil. Dort spielt sie oft Tischtennis und entwickelt eine grosse Freude. «Durch eine neue Bekanntschaft lernte ich die Trainerin des Paralympics-Team kennen und bekam so die Möglichkeit, an der Schweizer Meisterschaft und am Deutschland-Pokal mitzuspielen.» Sie legt täglich durchschnittlich 40 Kilometer mit dem Hand-Bike zurück. Zusätzlich peilt sie auch Fernziele wie Mallorca oder China an. Tetraplegiker müssen sich für längere Reisen speziell gut vorbereiten, da sie auf einen Katheter sowie Utensilien für das Darm-Management und Medikamente angewiesen sind. Besonders wichtig: In einigen Ländern muss man für gewisse Medikamente oder Opiate eine Bestätigung des Arztes vorweisen.

«Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung bietet zahlreiche Merkblätter rund um das Thema Reisen mit Handicap.»

Hindernisse seien in der Schweiz immer noch einige vorhanden, was das Reisen auf eigene Faust erschwere, fügt Brigitte Flöer hinzu. «Es fängt bei den Toiletten an und hört beim Trottoir auf, das oft nicht rollstuhlgängig ist.» Zudem wird in der Schweiz zu wenig kontrolliert, ob Neubauten komplett barrierefrei sind. «Diese Kontrollen müssten verschärft werden», ist Brigitte Flöer überzeugt. «Ich erlebe aber die Gesellschaft grundsätzlich aufgeschlossen und hilfsbereit – ich spreche die Menschen in meinem Umfeld an, sobald ich Hilfe benötige. Und ich lasse mich nicht auf den Rollstuhl reduzieren. Er gehört zwar zu meinem Leben, aber er macht mich nicht aus.»