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Gerhard Bolli beim Lokomat-Training.
Erfahrungsberichte

«Wie mein gelähmter Körper wieder beweglich wurde»

Anfang September 2016 änderte sich mein Leben schlagartig: Mitten in der Nacht stürzte ich in der Küche, prallte mit dem Kopf auf den harten Plattenboden und konnte nur noch meinen Kopf bewegen. Der restliche Teil meines Körpers war gelähmt. Ein Erfahrungsbericht aus der Zusammenarbeit mit der Therapie.

Ich hatte Glück im Unglück, denn die Ärzte diagnostizierten eine inkomplette Tetraplegie, welche durch einen Bruch der Wirbelsäule im Nackenbereich ausgelöst wurde. Die Lähmung vom Brustbereich abwärts könnte unter bestimmten Bedingungen mit der Zeit wieder zurückgehen.

Künstliche Ernährung aufgrund von Schluckstörungen

Nach dem Unfall wurde ich ins UniversitätsSpital Zürich eingewiesen, wo eine mehrstündige Operation durchgeführt wurde. Im Anschluss an die zehntägige Akutbehandlung erfolgte die Verlegung ins Zentrum für Paraplegie der Universitätsklinik Balgrist, wo ich die nächsten sechs Monate verbrachte. Zum Zeitpunkt des Übertritts war ich noch immer vom Brustbereich abwärts gelähmt und musste wegen Schluckstörungen künstlich ernährt werden. Die anfängliche Prognose hinsichtlich meiner zukünftigen Bewegungsfähigkeit war nicht sehr ermutigend. Glücklicherweise bewahrheitete sich dies jedoch nicht: ich erlangte langsam einen Teil meiner Mobilität zurück, was sogar die Mediziner erstaunte. Der Weg war jedoch beschwerlich.

Regelmässige Physio- und Ergotherapie mit verschiedenen Geräten

Prof. Dr. Armin Curt, Chefarzt und Direktor des Zentrums für Paraplegie, wie auch die Therapeuten sorgten von Beginn weg, dass ich mich nicht an den Elektrorollstuhl gewöhnte. Wieder Laufen zu lernen stand im Fokus. In der Rehabilitationsklinik startete ich mit diversen Therapien –  angeleitet von hervorragenden Therapeuten, die sehr gute und präzise Arbeit leisteten. Zur Beseitigung meiner Schluckstörung liess mich Therapeut Rainer Wendel gezielte Übungen ausführen. Sporadische Tests mit einer Mikrokamera zeigten, ob noch Rückstände in meiner Luft- oder Speiseröhre zu sehen waren. Physio- und Ergotherapie waren die Eckpfeiler der Reha. Die Physiotherapie fand in einer grossen Trainingshalle an verschiedensten Geräten statt, wobei die Patienten in der ganzen Halle verteilt waren und in Einzeltherapie ihr Trainingsprogramm absolvierten. Dabei lernte ich auch viele andere Patienten und Therapeuten kennen.

Meine beiden Physiotherapeuten Tanja Herzog und Florian Oesch führten abwechslungsreiche Übungen für meinen Körper durch. Die Kraft in meinen Beinen wieder zu stärken stand im Vordergrund. Hierzu übte ich beispielsweise an der Sprossenwand das selbstständige Stehen. In weiteren Phasen lernte ich erste Laufbewegungen am Barren und später auch das Treppensteigen.

Willkommene Abwechslung dank Roboter-Training

Der Gehroboter «Lokomat» wertete die Physiotherapie enorm auf. Dank diesem Spezial-Trainingsgerät konnte ich die Bewegungsabläufe meiner Beine auf verschiedenste Arten aktivieren und stärken. Ich kannte das Gerät bereits, weil ich kurz vor meiner Pensionierung bei der Lokomat-Herstellerfirma Hocoma AG in Volketswil arbeitete und für die ganze Belegschaft  ein Roboter-Training obligatorisch war. Auch das Training mit dem Rehabilitationssystem «FLOAT» war sehr hilfreich. Diese Trainingsumgebung ermöglicht das freie Gehen. Der Patient befindet sich in einem Sicherheitsgurt, der mit dem «FLOAT» Steuerungssystem verbunden ist. Dieses ist mit vier Drahtseilen an Deckenlaufschienen befestigt und erlaubt je nach Bedarf eine regulierbare Körpergewichtsentlastung. Ist der Patient im Begriff zu stürzen, wird er dank Sensorentechnik sanft aufgefangen.

In der Ergotherapie trainierte ich mit dem «Armeo»-Roboter, um bestimmte Bewegungsabläufe der Arme zu verbessern. Alle Trainingsroboter konnten äusserst motivierend und individuell zu anderen Übungseinheiten eingesetzt werden.

Mit kleinen Erfolgen zum Ziel

Eine weitere Komponente der Ergotherapie von Regula Senn war, Alltagssituationen möglichst selbständig meistern zu können. So lernte ich unter anderem, mit Hilfsmitteln wie Spezialessbesteck die Mahlzeiten wieder ohne Pflegeperson einzunehmen. Das Taubheitsgefühl in meinem Körper liess immer mehr nach: dazu waren regelmässig mehrere Trainingseinheiten täglich nötig, wobei ich oft an meine Grenzen stiess. Diese abwechslungsreichen Trainingsmöglichkeiten erweiterten meinen Bewegungsspielraum. Kleine, aber stetige Erfolge waren feststellbar.

Das Schicksal annehmen und nach vorne schauen

Natürlich hat der Unfall mein Leben komplett verändert. Früher machte ich viele Wanderungen und Reisen, war Mitglied im Turnverein und körperlich sehr aktiv. Dennoch habe ich während meiner Besserung stets nach vorne geschaut und konnte mein Schicksal annehmen. Geholfen hat mir sicherlich ein ähnlicher Vorfall eines Familienmitglieds, der sich vor einigen Jahren ereignete. Dadurch wusste ich, dass mir eine schwierige Zeit bevorstand. Grübeln und Hinterfragen bringt nichts: Wille, Ausdauer, Geduld und Hoffnung sind für die Langzeitrehabilitation notwendig. Der Weg lohnt sich trotz Stolpersteine!