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Forschung

Ein Forschungsmarathon

Langjährige Labor- und Pilotstudien am Menschen lassen hoffen, dass nach Verletzungen des Rückenmarks sich Nervenfunktionen mit geeigneter medikamentöser Therapie wieder erholen können.

Die wirksamste Therapie, die wir für querschnittgelähmte Patientinnen und Patienten heute kennen und anwenden, ist die Rehabilitation. Die kann immerhin das Ausspriessen von unversehrten Nervenfasern begünstigen, aber gerade im Rückenmark geht das nur sehr langsam und eingeschränkt von statten. Massgeblich Schuld daran trägt ein Protein namens Nogo-A. Und genau hier setzen die verheissungsvollen Antikörper an. In der europaweiten Studie NISCI soll sich nun zeigen, ob eine Antikörper-Therapie Tetraplegikerinnen und Tetraplegikern effektiv hilft und ihr Leben verbessern kann.

«Fall sich in der jetzigen Studienphase die Wiederherstellung der Nerven auch nur teilweise bestätigt, wäre das für die Medizin, aber besonders für Tetraplegie-Patientinnen und -Patienten, für die bereits kleine Fortschritte wertvoll sind, ein wahrer Durchbruch.»

Das Nogo-A-Protein neutralisieren

Unser Körper selbst stellt dieses Protein her, das Wachstum und Regeneration von verletzten Nervenfasern hemmt. Die Nogo-A-Antikörper, direkt ans Rückenmark injiziert, lösen diese Hemmung auf und scheinen damit zuzulassen, dass sich beschädigte Nervenfasern oder Fasern, die rund um die Läsion liegen, wieder verbinden. Fall sich in der jetzigen Studienphase die Wiederherstellung der Nerven auch nur teilweise bestätigt, wäre das für die Medizin, aber besonders für Tetraplegie-Patientinnen und -Patienten, für die bereits kleine Fortschritte wertvoll sind, ein wahrer Durchbruch.


Prof. Dr. med. Armin Curt, Leiter der europaweiten NISCI-Studie.


Ein etappenweiser Durchbruch

Am aktuellen NISCI-Projekt, der Phase II des dreistufigen Zulassungsverfahrens, beteiligen sich 14 Kliniken  und Universitäten aus fünf Ländern Europas. Das Zentrum für Paraplegie der Universitätsklinik Balgrist koordiniert diese europäische Studie unter der Leitung von Prof. Dr. med. Armin Curt durch. Sein Team ist eines von dreien in der Schweiz; REHAB Basel und das Schweizer Paraplegiker-Zentrum nehmen ebenfalls an der Studie teil.

«Seit Mitte Mai 2019 bis im September 2023 soll an 132 querschnittgelähmten Menschen die Wirkung des Medikaments geprüft werden.»

In der Phase I ermittelte man die idealen Dosierungen und ging bereits sicher, dass Patientinnen und Patienten die Behandlung gut vertragen. Seit Mitte Mai 2019 bis im September 2023 soll an 132 querschnittgelähmten Menschen die Wirkung des Medikaments geprüft werden. Diese Patienten sind zwischen 18 und 70 Jahre alt und haben sich längstens 28 Tage vor der Einweisung in ein Paraplegikerzentrum verletzt. Sie durchlaufen die übliche, unersetzliche und bestmögliche Reha-Therapie, erhalten aber zusätzliche Injektionen direkt ans Rückenmark verabreicht. Nur bei einem Teil der Gruppe handelt es sich um das Präparat mit «anti-Nogo-A [NG101]», während der andere Teil, wie es das Verfahren bei Doppelblindstudien vorgibt, ein Placebo erhält. Um Resultatverzerrungen weitgehend auszuschliessen, wissen weder das Ärzteteam noch die Behandelten, wer welches Präparat bekommt.


Hohe Erwartungen an anti-Nogo-A [NG101]

Wie sich die neue Antikörper-Therapie genau auf die Nervenfunktionen, die Bewegungsfähigkeit und den Allgemeinzustand der Patientinnen und Patienten auswirkt, sollte nach Plan im Herbst 2023 ersichtlich sein. Im Fokus stehen die Funktionen von Armen und Händen; hoffentlich verbessert sich aber das Befinden insgesamt. Ob sich die Therapie auch für Menschen eignet, deren Rückenmark schon vor längerem verletzt wurde, ist derzeit noch unklar.


Marathon-Team von Grundlagenwissenschaft und Klinikern

Noch in den 80er-Jahren hielt man das Zentralnervensystem für irreparabel. Aber er und seine Forschungsgruppe liessen sich nicht beirren, fanden heraus, dass das Nogo-Eiweiss die Nervenfasern massgeblich vom Wachsen abhält. Der Grundstein zur Entwicklung des Antikörpers war also gelegt. Experimentell wiesen sie dann nach, dass sich sogar im Rückenmark durchtrennte Nervenfasern regenerieren und ihr Nachspriessen verlorene Bewegungsfunktionen wieder ermöglicht. Während vieler Jahre wurde in Laboren, später am Menschen getestet. Viel Administratives gab es mit Behörden und Ethikkommissionen in den Ländern aller Beteiligten zu bewältigen, um nun in der Phase II angekommen zu sein.  Ein langer Weg, eben ein Marathon, doch es ist bestimmt jeder Zentimeter wert. Der nächste Zwischenstand ist planmässig im Herbst 2022 zu erwarten.