Andererseits bewirken anhaltende körperliche Beeinträchtigungen teils schwere Einbussen, die den Patienten täglich betreffen. Man sollte also annehmen, dass Patienten mit Querschnittlähmung einen erheblichen Grund haben, an einer Depression zu erkranken, die in anhaltender Trauer und erschwerter Problembearbeitung mündet.
Paraplegiker und Tetraplegiker meistern ihr Schicksal erfolgreich
Der klinische Alltag und der Umgang mit querschnittgelähmten Patienten zeigen jedoch, dass diese Patienten ihren Schicksalsschlag erstaunlich gut bewältigen. Diese Kompetenz von Patienten nach Querschnittlähmung konnten wir in einer multizentrischen Studie, die im Europäischen Netzwerk für Querschnittlähmung (EMSCI) erfolgt ist, mit einem beeindruckenden Ergebnis nachweisen.
130 Querschnittgelähmte untersucht
In sechs Zentren wurden 130 Patientinnen und Patienten über ein Jahr nachuntersucht – von der Akutverletzung bis nach der Entlassung. Die Resultate der Messungen mittels typischer Instrumente, die in der Psychiatrie verwendet werden, um Gemütslage, Depressionsgrad und Zufriedenheit zu erheben, wurden mit den Werten einer europäischen Kontrollgruppe verglichen. Letztere bestand sowohl aus Gesunden, als auch Patienten, die an Multipler Sklerose, Schlaganfall und Schleudertrauma leiden. Die Ergebnisse zeigen sehr eindrucksvoll, dass die Patienten nach Querschnittlähmung im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe nur geringgradig erhöhte Depressionsscores aufweisen.
Weniger Betroffene als bei Schlagfanfall-, MS- oder Schleudertrauma-Patienten
Im Vergleich zu Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen (Schlaganfall, Multiple Sklerose, Schleudertrauma) leiden Patienten mit Querschnittlähmung erheblich weniger an Depressionen. Zudem konnten wir nachweisen, dass das Ausmass einer geringen Depression nicht von der Höhe der Lähmung oder vom Schweregrad der Behinderung abhängt. Es zeigt sich also, dass Patienten mit Querschnittlähmung, obwohl sie teilweise an einer erheblichen körperlichen Behinderung leiden, mit depressiven Verstimmungen deutlich besser zurecht kommen als Patienten mit anderen Erkrankungen. Dies ist bestimmt mitunter ein Grund, weshalb sie sich in der Rehabilitation und weiteren Lebensplanung in der Regel wieder so erfolgreich in das Alltagsleben eingliedern können.
Lesen Sie zum Thema in der NZZ am Sonntag vom 30. Juni 2013: «Guten Mutes in schweren Zeiten»