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Forschung

Mit Elektrostimulation die Gangrehabilitation unterstützen

Die elektrische Stimulation des Rückenmarks könnte als Unterstützung in der Gangrehabilitation nach einer Rückenmarksverletzung Anwendung finden. Auch eine Studie am Balgrist Campus untersucht Effekte der Technik auf die Motorik nach einer chronischen Rückenmarksverletzung.

Eine Verletzung des Rückenmarks schränkt die Weiterleitung von Signalen des Gehirns an die Muskulatur ein. Dies führt bei betroffenen Personen zu einer Beeinträchtigung in der Bewegungsausführung. Gewisse Restfunktionen bei inkompletten Verletzungen erlauben jedoch durch intensive Rehabilitationsmassnahmen das Wiedererlangen einer Gehfunktion. Damit möglichst früh mit der Therapie begonnen werden kann, wird die Gangrehabilitation von verschiedenen Techniken unterstützt.

«Ziel der elektrischen Stimulation des Rückenmarks: Nerven unterhalb der Verletzung anregen. Dadurch sollen die durch die gestörte Weiterleitung verringerten Befehle des Gehirns besser verarbeitet werden können.»

Dazu zählen beispielsweise Gewichtsentlastungssysteme oder unterstützende Systeme aus der Robotik. Die Forschung entwickelt und testet diverse Techniken für die optimale Unterstützung der Gangrehabilitation, um das Ergebnis zu verbessern. Neben Ansätzen aus der Robotik hat auch die Stimulation des Nervensystems als Unterstützung der Therapie das Interesse der Forschung geweckt. Dazu zählt auch die elektrische Stimulation des Rückenmarkes.

Techniken der Rückenmarksstimulation

Ziel der elektrischen Stimulation des Rückenmarks: Nerven unterhalb der Verletzung anregen. Dadurch sollen die durch die gestörte Weiterleitung verringerten Befehle des Gehirns besser verarbeitet werden können und somit soll die Technik zu einer Verbesserung der Bewegung führen. Die elektrische Stimulation mittels implantierter Elektroden, die sogenannte epidurale Stimulation, zeigte bereits in mehreren Studien vielversprechende Resultate in Form von vergrösserten möglichen Bewegungsumfängen und Verbesserungen der Gehfunktion1,2.

Die Technik kann gezielt Netzwerke von einzelnen Muskeln stimulieren. Dies erlaubt uns, gezielt auf unterschiedliche Beeinträchtigungen einzugehen. Zusätzlich können dadurch Netzwerke von verschiedenen Muskeln zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb eines Schrittes stimuliert werden. Das erlaubt die Stimulation mit zeitlichen Mustern, die basierend auf einem natürlichen Gangbild erstellt werden. Der Nachteil der epiduralen Stimulation ist die Notwendigkeit einer Operation für die Platzierung der Elektroden. Darum wurde mit der elektrischen Stimulation durch Klebeelektroden auf der Haut, der sogenannten transkutanen Stimulation, eine zweite Technik etabliert. Durch die grössere Distanz zum Ziel der Stimulation, dem Rückenmark, ist diese Technik allerdings weniger spezifisch. Es ist zwar keine Operation notwendig, aber die Stimulation kann nicht individuell auf Beeinträchtigungen einer Person oder verschiedene Zeitpunkte in einem Schritt abgestimmt werden. Die transkutane elektrische Stimulation zeigte ebenfalls bereits positive Effekte auf das Gehen3. Insgesamt wurde die Technik allerdings erst an wenigen Patienten angewendet und Effekte sind noch kaum untersucht. Aus diesem Grund hat das Zentrum für Paraplegie an der Universitätsklinik Balgrist eine Studie mit dieser Technik am Balgrist Campus gestartet.

Studie am Balgrist Campus

Die Studie wird in enger Zusammenarbeit mit der medizinischen Universität Wien durchgeführt und untersucht mit modernsten Technologien Effekte der transkutanen Rückenmarksstimulation auf verschiedene Bewegungen. In einem ersten Schritt wird die richtige Platzierung der Klebeelektroden sichergestellt. Dafür werden verschiedene Reflexe ausgelöst und direkt ausgewertet. Dadurch wird auch die Intensität der Stimulation individuell für jeden Probanden angepasst. Sobald diese Messungen garantieren, dass das Rückenmark richtig stimuliert wird, werden verschiedene Bewegungen jeweils mit und ohne elektrische Stimulation ausgeführt.

«Erkenntnisse aus der Studie tragen zur Erforschung der transkutanen Rückenmarksstimulation bei und führen bei positiven Ergebnissen zu weiteren Studien, welche beispielsweise untersuchen, ob die Technik langfristig ein Training unterstützen kann.»

Dazu gehören isolierte Bewegungen des Sprunggelenkes sowie das Gehen im Therapieroboter FLOAT, welcher einerseits Gewicht entlastet und andererseits Stürze verhindert. Unterschiede zwischen den beiden Konditionen werden durch Messungen der Muskelaktivität (EMG) und 3D-Bewegungsanalysen untersucht. Erkenntnisse aus dieser Studie tragen zur Erforschung der transkutanen Rückenmarksstimulation bei und führen bei positiven Ergebnissen zu weiteren Studien, welche beispielsweise untersuchen, ob die Technik langfristig ein Training unterstützen kann. Schlussendlich könnte diese Technik zu einer Verbesserung der Gangrehabilitation nach inkompletter Rückenmarksverletzung führen.

Quellenangaben:

  1. Harkema, S. et al. Effect of epidural stimulation of the lumbosacral spinal cord on voluntary movement, standing, and assisted stepping after motor complete paraplegia: A case study. Lancet 377, 1938–1947 (2011).
  2.  Wagner, F. B. et al. Targeted neurotechnology restores walking in humans with spinal cord injury. Nature (2018). doi:10.1038/s41586-018-0649-2
  3. Hofstoetter, U. S. et al. Augmentation of Voluntary Locomotor Activity by Transcutaneous Spinal Cord Stimulation in Motor-Incomplete Spinal Cord-Injured Individuals. Artif. Organs 39, E176–E186 (2015).

Christian Meyer 

ist Bewegungswissenschafter und forscht im Bereich Ganganalyse und Rehabilitation nach Rückenmarksverletzung. Er hat seinen Master in Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich abgeschlossen und arbeitete in der Bewegungsanalyse bei neurologischen Erkrankungen und mit Sportlern.

Haben Sie Fragen zum Artikel? Dann melden Sie sich gerne via kommunikation@balgrist.ch