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Forschung

Paraplegie-Forschung: Regeneration, Stimulation und Kontrolle im Fokus

Die paraplegiologische Forschung an der Universitätsklinik Balgrist zielt auf die Reparatur des Rückenmarks und seiner Nervenfasern sowie auf die physische Stimulation der Rückenmarksfunktionen. Weitere Schwerpunkte sind die Kontrolle von wichtigen Körperfunktionen wie der Blasen- und Darmregulation und der Sexualität sowie Bildgebung und Schmerz.

Die Universitätsklinik Balgrist hat grossen Anteil daran, dass Querschnittgelähmte in der Schweiz heute besser leben können. «Ende der Achtzigerjahre wollte die Universität Zürich hier ein Paraplegiezentrum für die Ostschweiz aufbauen», erzählt Volker Dietz. Martin Schwab, der kurz zuvor die NOGO-Proteine entdeckte und damit die Grundlagen für das Konzept der Rückenmarksreparatur geschaffen hatte, leitete die Strukturkommission.

«Unsere gemeinsame Mission war, eines Tages das beschädigte Rückenmark zu heilen.»

Anfangs war gar nicht so klar, was man wollte: mehr klinische oder mehr wissenschaftliche Expertise. So war seine Berufung nicht ganz einfach, erinnert er sich: «Ich war vor allem ein Wissenschaftler». Und doch: Volker Dietz wurde 1990 an die Universitätsklinik Balgrist berufen und übernahm zwei Jahre später den ersten Lehrstuhl für Paraplegie in Europa.

Gelähmte sollen wieder gehen können

Der Beginn der Forschungsarbeit mit Martin Schwab war demzufolge ein Feuerwerk: «Die Arbeiten rund um die NOGO-Antikörper beflügelten uns!». Ihre gemeinsame Mission war, eines Tages das beschädigte Rückenmark zu heilen. Blockierte man das Nogo-Protein mit Antikörpern, wuchsen aus verletzten Fasern kleine neue Nervenzweige aus. Dies belegte die Forschergruppe im Tiermodell. Bald generierte das Team ausreichend Forschungsmittel. Schliesslich finanzierte Novartis die Phase-I-Studie, in der es um Verträglichkeit, Applikationsform und Dosierung ging. «Für diese Studie gründeten wir mit anderen Paraplegiezentren aus Europa das EMSCI-Netzwerk», erzählt Dietz. «Fünf Patienten aus der Universitätsklinik Balgrist wurden in die Studie eingeschlossen.» Basierend auf dem EMSCI-Netzwerk mit 20 Zentren ist das NISCI Netzwerk entstanden, das inzwischen die multizentrische, multinationale, placebokontrollierte Anti-Nogo-A-Phase-II-Studie durchführt. Die Studie wird von Dietz’ Nachfolger Prof. Dr. Armin Curt geleitet.

«Als erste Idee entwickelte das Team ein automatisiertes Laufbandtraining. Mitte der Neunziger wurde dann der erste Prototyp des Lokomat® als angetriebene Gangorthese entwickelt.»

«Rehabilitation Technology» als Trainingsmethode

Die zweite Forschungsrichtung basiert auf dem Prinzip, das Training die Nerven stimuliert. Dies ist der Schwerpunkt des heutigen Forschungsleiters Marc Bolliger. «Dafür besteht seit langem eine enge Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und der ETH Zürich», sagt der Bewegungswissenschaftler. Im Fokus stehen die Roboter und die heute zunehmend sensomotorischen Robotiksysteme. Volker Dietz ergänzt: «Bereits im Jahr 1993 starteten wir mit diesen Forschungsprojekten und konnten einen jungen und motivierten Elektroingenieur von der ETH für uns gewinnen: Gery Colombo». Dank der Kombination seiner technischen Fähigkeiten mit der eigenen medizinischen Perspektive sowie dem Input der Patientinnen und Patienten lancierte die Forschungsgruppe bald die ersten robotergestützten Gehtrainings bei inkomplett Gelähmten, um ihre Nervenbahnen zu stimulieren. Als erste Idee entwickelte das Team ein automatisiertes Laufbandtraining. «Mitte der Neunziger wurde dann der erste Prototyp des Lokomat® als angetriebene Gangorthese entwickelt», erzählt Bolliger. Mit dem Float-System folgte ein weiteres Robotersystem. Heute wird die Entwicklung immer digitaler. «Das NCCR Robotis der ETH, das von Robert Riener geleitet wird, erforscht human-orientierte und autonome Robotertechnologien», betont Volker Dietz. Dabei gehe es auch um die Frage, wie Bewegung kontrolliert wird.

Gibt es Wichtigeres als die Gehfunktion?

Zentral für alle Patientinnen und Patienten ist die Lebensqualität, so auch für die von einer Paraplegie Betroffenen. Daher ist die Neuro-Urologie, die heute Prof. Dr. Thomas Kessler leitet, der dritte und nicht weniger wichtige Forschungsbereich. Dietz betont: «Für die meisten sind die Funktion von Blase und Darm sowie die Sexualität ebenso bedeutende Aspekte wie das Laufen». Die Forschungsansätze umfassen daher die Diagnostik, aber auch die Botoxtherapie oder die Selbstkatheterisierung. Weitere Forschungsansätze zielen auf die Weiterentwicklung der Bildgebung sowie auf Schmerz und Sensorik. «Es geht auch hier darum, die Kapazität voll auszuschöpfen», so Dietz. Seine Motivation ist es bis heute, dass mit der klinischen und wissenschaftlichen Paraplegiologie versucht wird, aus den grossen Unglücksfällen das Bestmögliche zu machen: «Paraplegische Patientinnen und Patienten sind nach der Diagnose in einem grossen Tief, dann erholen sie sich und es ist unglaublich mitzuerleben, wie sie sich wieder im Alltag adaptieren. Marc Bolliger sieht es ähnlich: «Es ist eine Krankheit, die man zwar nicht heilen kann, aber für die die Forschung wichtige neue Erkenntnisse ermöglicht und neue Ansätze für ein besseres Leben schafft.»