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Pflege

Darmfunktion nach Schädigung des Rückenmarks

«Redet offen über eure Beschwerden und Beklemmnisse, über eure Intimitäten und alle Probleme rundherum. Euer Vertrauensarzt steht euch nahe, kennt euren Körper und weiss auch, wie man lernt damit umzugehen und sich selbst zu therapieren. Eure Gefühle und Belastungen im Alltag müssen am richtigen Ort kommuniziert werden. Nur so werdet ihr verstanden.» (Empfehlung einer querschnittgelähmten Patientin am Zentrum für Paraplegie Balgrist).

Die Schädigung des Rückenmarks hat bezüglich der Darmfunktion vor allem Einfluss auf die willentlich kontrollierbare Stuhlentleerung. Gleichzeitig können eine gehemmte Darmmobilität sowie ein Verlust der effektiven Propulsion (Vorwärtstreiben) im absteigenden Dickdarm und Enddarm bestehen.

Beim Darm gibt es grundsätzlich drei verschiedene Lähmungstypen:

Reflex-Enddarm: Hier besteht eine Lähmung oberhalb der Brustwirbelfraktur 11. Der Spannungszustand des glatten, inneren Muskels ist stark erhöht bis spastisch

Schlaffer Enddarm: Hier besteht eine Lähmung unterhalb des Lendenwirbelkörpers 1. Der äussere und innere Schliessmuskel sind schlaff respektive ständig erweitert, was häufig eine Inkontinenz zur Folge hat.

Mischtypen: Bei inkompletten Lähmungen können Restfunktionen der Schliessmuskeln erhalten sein, so dass es zu einem unvollständigen Typ zwischen Reflex- und schlaffem Enddarm kommt.

«Es ist der Bauch, für dessen Befriedigung ein grosser Teil der Menschheit arbeitet – und der die meisten Leiden für die Menschheit bringt.» (Plinius, römischer Schriftsteller)

Das Bewusstsein für die Darmproblematik kommt erst mit der Zeit

Leider ist es kaum vermeidbar, dass sich ein Patient mit einer frischen Querschnittlähmung bei Spitaleintritt ausgeliefert und jeglicher bisher gewohnten Intimsphäre beraubt fühlt.

Gerade was das Thema Darmrehabilitation betrifft, stellen sich verschiedene ethische Fragen. Menschen mit Querschnittlähmung werden täglich von fremden Individuen manuell ausgeräumt: ein starker Eingriff in die Intimsphäre. Ob jung oder alt, es ist eine peinliche Prozedur, welche die Patienten über sich ergehen lassen müssen. Dies bedingt viel Feingefühl seitens der Pflegefachpersonen und dementsprechend Erklärungen, warum diese Handlungen vollzogen werden.

Vielfach steht bei unseren Patienten die Darmrehabilitation anfangs nicht im Vordergrund, da Physio-/Ergotherapien wichtiger sind. Im Verlauf der Rehabilitation ändert sich diese Einstellung, da peinliche Zwischenfälle entstehen können, die je nach Situation ärgerlich sind.

Patienten wieder in ihren gewohnten Abführ-Rhythmus bringen

Während des stationären Aufenthaltes im Rahmen der Erstrehabilitation wird die Darmtätigkeit jedes einzelnen Patienten so „eingestellt“, dass sie bei Austritt über eine verlässliche Kontinenz verfügen. Die Patienten werden ausführlich über das Vorgehen zu Hause informiert, um künftige Darmentleerungsprobleme zu vermeiden.

Beim Darmtraining muss die willentliche Steuerung der Stuhlentleerung über das Stuhlganggefühl durch einen genauen Zeitplan (1-2 tägliche Stuhlentleerung; jeweils zur genau gleichen Tageszeit) ersetzt werden. Durch ein konsequentes Einhalten des Stuhlschemas lässt sich eine regelmässige Entleerung „antrainieren“. Die orale Einnahme von Abführmitteln, Quell- und Fasermitteln, wie auch der Einsatz von Abführzäpfchen, müssen individuell auf den Patienten angepasst werden.

Durch Anleitung seitens der Pflege lernen querschnittgelähmte Menschen, mittels Medikamenten und Techniken, sich selbständig abzuführen. Tetraplegische Menschen sind in der Regel aufgrund der mangelnden Handfunktion auf Fremdhilfe angewiesen.

Ziele der Rehabilitation

  • Der Patient kennt die Abführmittel und deren Wirkung
  • Erreichen einer regelmässigen, ausgeglichenen Darmentleerung
  • Darmentleerung täglich oder jeden zweiten Tag zu genau derselben Tageszeit
  • Vermeidung von Verstopfung oder Durchfall
  • Der Patient kennt den Einfluss von Nahrungsmitteln auf die Konsistenz des Stuhlgangs

Verstopfungen, Blähungen und Durchfall – wir reden offen mit den Patienten

Eine unangepasste Ernährung, eine verringerte Flüssigkeitszufuhr oder die Einnahme von dämpfenden Medikamenten auf die Darmtätigkeit sowie Bewegungsmangel können zu Verstopfungen, Durchfall oder Blähungen führen.

Wichtig ist, dass die Patienten, ob während der Rehabilitation oder ambulant, stets Ansprechpersonen haben und wissen, an wen sie sich wenden können, um diese Probleme gemeinsam zu besprechen und zu lösen. Nur so ist es möglich zu gewährleisten, dass die Patienten ihr soziales Leben ohne unangenehmen Zwischenfälle bestehen können.

Um visuell aufzuzeigen, wie eine Verstopfung aussehen kann, siehe obiges Röntgenbild. Die dunklen Flecken (vor allem rechts) entsprechen stark gasgefüllten Darmabschnitten, welche verdichtete Kotmassen (helle Strukturen) enthalten. Links ist der absteigende Dickdarm mit eingedickter (wenig lufthaltiger) Stuhlmasse aufgefüllt.

Isabella Frei 

ist ein Urgestein am Zentrum für Paraplegie Balgrist, seit knapp 22 Jahren arbeitet sie im Zentrum – heute ist sie HöFa I und Qualitätsverantwortliche in der Pflege. In ihrer Freizeit besucht Jsabella Frei u.a. Konzerte oder erholt sich in Ägypten unter Wasser – sie ist passionierte Taucherin.