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Holztisch und Ledersessel im Wohnzimmer.
Therapie

Wohnanpassungen bei Querschnittlähmung

Nach einer plötzlich eintretenden Querschnittlähmung ändern sich die Lebensumstände auf einen Schlag. Damit die betroffenen Menschen nach ihrer Entlassung aus dem Spital wieder in ihren eigenen vier Wänden wohnen können, muss das Zuhause häufig rollstuhlgerecht angepasst werden.

Für Patientinnen und Patienten, die nach einem Unfall oder durch eine Krankheit querschnittgelähmt sind, beginnt nach einer kurzen Zeit der Akutversorgung die Rehabilitation. Die Ergotherapeuten/-innen des Zentrums für Paraplegie unterstützen Patienten, damit sie ihren Alltag nach dem Rehabilitationsaufenthalt möglichst selbständig meistern können. Paraplegiker verbringen durchschnittlich drei bis fünf, Tetraplegiker in der Regel sechs bis acht Monate stationär im Zentrum für Paraplegie. Doch bereits während den ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts werden Planungen für die Zeit nach der Entlassung aufgenommen. Denn oftmals können die Patienten nicht zurück in ihr Zuhause, da es nicht rollstuhlgerecht ist. In diesen Fällen sind Umbauten bzw. Anpassungen verschiedenster Art oder gar die Suche nach einer neuen Wohnform notwendig. Und das bedingt viel Zeit.

Checkliste für Bestandesaufnahme der Wohnsituation

In einem ersten Schritt stellen wir mit den Patienten eine Checkliste zusammen, um einen Überblick der aktuellen Wohnsituation zu erhalten. Dabei bringen wir die wichtigsten Fakten in Erfahrung: die Topografie, der Zugang in die Wohnung, die Platzverhältnisse und ganz wichtig – die sanitären Einrichtungen. Die Checkliste ist massgebend, um abzuschätzen, ob sich eine umfassendere Abklärung bei den Patienten zuhause lohnt.

«Es braucht Hilfsmittel wie Haltegriffe, ein Badewannenbrett oder eine Erhöhung der Toilette sowie das Umstellen von Möbeln, um eine Rückkehr zu ermöglichen.»

In gewissen Fällen ist die Wohnsituation so ungeeignet und ein Umbau wäre derart kostspielig, dass nur die Suche einer neuen Bleibe Sinn macht. Für die Wohnungssuche erhalten Betroffene bei Bedarf Unterstützung von der Sozialberatung und wir Ergotherapeuten zeigen ihnen gerne, auf was sie beim neuen Zuhause achten müssen. Mitunter braucht es aber auch nur ein paar wenige Hilfsmittel wie Haltegriffe, ein Badewannenbrett oder eine Erhöhung der Toilette sowie das Umstellen von Möbeln, um eine Rückkehr zu ermöglichen.

Invalidenversicherung übernimmt Kosten bei Erwerbstätigen

Bei der Wohnabklärung vor Ort sind mehrere Personen involviert – allen voran der Betroffene selber. Er soll sich möglichst selbständig zuhause zurechtfinden. Die Anpassungen werden individuell auf ihn zugeschnitten. Mit dabei sind auch die Angehörigen, bei ausschliesslich gehbehinderten Personen deren Physiotherapeut und wir Ergotherapeuten. Falls grössere Umbauten notwendig sind, begleitet uns ein Architekt des Zentrums für hindernisfreies Bauen von der Schweizerischen Paraplegiker Vereinigung (SPV), welches für alle vier Schweizer Paraplegikerzentren zuständig ist.

«Patienten im AHV-Alter müssen die Kosten für den Umbau selber tragen. Für sie besteht jedoch die Möglichkeit, bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung finanzielle Unterstützung zu beantragen.»

Erwerbstätige Patienten verfügen über eine Invalidenversicherung, welche den grössten Teil der Umbaukosten übernimmt. Entsprechend nimmt in diesen Fällen auch noch eine Person der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Behinderte und Betagte (SAHB), die im Auftrag der IV arbeitet, an der Abklärung teil. In seltenen Fällen ist auch die Verwaltung der Liegenschaft anwesend, da deren Einwilligung bei Wohnungsanpassungen zwingend ist. Patienten im AHV-Alter müssen die Kosten für den Umbau selber tragen. Für sie besteht jedoch die Möglichkeit, bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung finanzielle Unterstützung zu beantragen.

Beseitigung von verschiedenen Hindernissen

Bei der Besichtigung der Wohnung oder des Hauses müssen diverse Faktoren abgeklärt werden. Ein erstes Hindernis kann bereits der Zugang zur Haustüre darstellen: In einigen Fällen braucht es eine Rampe, um die Liegenschaft zu erreichen. Oder Eingangstüren müssen angepasst werden, damit sie automatisch öffnen und schliessen. So kommt der Patient sicher in sein Zuhause. Befindet sich die Wohnung nicht im Erdgeschoss, stellt sich die Frage nach einem Lift. Wenn dieser nicht vorhanden ist, schafft ein Treppenlift Abhilfe. Aber auch die eingebauten Lifte sind nicht zwingend nutzerfreundlich für Rollstuhlfahrer, da sie insbesondere in älteren Häusern oftmals nicht ausreichend gross gebaut sind. Um die verschiedenen Räume barrierefrei mit dem Rollstuhl zu erreichen, benötigt es an den Türen oft einen Keil als Schwellenausgleicher. Häufig ist die Wohnung oder das Haus zu eng mit Möbeln zugestellt, um mit dem Rollstuhl passieren zu können. In diesen Fällen beraten wir die Patienten, wie sie die Einrichtung umstellen können, um mehr Platz zu schaffen.

Badezimmer bedarf die meisten Umbauten

Am aufwändigsten ist das Badezimmer: Die Badewanne, das WC und das Waschbecken müssen zum Teil umgebaut werden. Eine befahrbare, schwellenlose Dusche ist geeigneter als eine Badewanne, und das WC muss oftmals erhöht und mit Haltegriffen versehen werden. Alternativ können die Querschnittgelähmten auch einen Dusch- und Toillettenrollstuhl benützen, mit dem sie sowohl über die Toilette als auch in die Dusche fahren können. Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Badezimmer gross genug ist, damit die Betroffenen mit ihrem Rollstuhl drehen und wenden können.

Bei Querschnittgelähmten, die einen selbständigen Haushalt führen oder deren Aufgabe es ist, für die Familie zu kochen, werden auch Anpassungen an der Küche vorgenommen. Der Kochherd und das Spülbecken sowie eine kleine Arbeitsfläche, werden für den Rollstuhl unterfahrbar gemacht. Die oberen Schränke werden umgeräumt – häufig benötigte Gegenstände kommen in Greifhöhe. Die Notwendigkeit dieses Umbaus muss jedoch aufgezeigt werden, damit die Invalidenversicherung die Kosten übernimmt. Für Tetraplegiker, die auf Hilfe angewiesen sind oder Paraplegiker, die mit einem Partner leben und die Küche selten nutzen, wird meist von einem aufwändigen Umbau abgesehen.

Patient soll möglichst selbständig leben können

In den anderen Räumen braucht es vor allem Platz. Lose Teppiche sollten weggeräumt werden, da sie für Rollstühle schwer zu befahren sind oder für gehfähige Menschen eine Stolperfalle darstellen.  Zum Teil benötigen Patienten ein elektrisch verstellbares Pflegebett. Um den Balkon oder die Terrasse zu erreichen, benötigen die Betroffenen eine Rampe bzw. eine Anhebung des Bodens auf der Aussenseite oder eine schwellenlose, bodenebene Türe. Auch der hindernisfreie Zugang zum Keller, zur Waschmaschine und dem Tumbler muss berücksichtigt werden. Zudem sind die Querschnittgelähmten auf einen Parkplatz angewiesen. Viele Paraplegiker fahren selbständig mit dem Auto und brauchen einen etwas breiteren Behindertenparkplatz. Die Türen in den Tiefgaragen stellen oft eine Herausforderung dar, da es sich meist um schwer zu öffnende Brandschutztüren handelt. Auch der Briefkasten muss in Reichweite für die Patienten platziert sein. Alles in Allem ist es wichtig, dass sich der Patient möglichst selbständig zurechtfinden kann und auch die externen Hilfen wie die Spitex gute Arbeitsbedingungen vorfinden.

Hoher Zeitdruck für aufwändige Umbauarbeiten

Bei den Wohnabklärungen analysieren wir mit den Patienten jeden einzelnen Raum und schreiben dann einen Bericht mit den notwendigen Anpassungen. Der Architekt erstellt ebenfalls einen Bericht mit Skizzen und hält fest, was umgebaut werden muss. Er nimmt zudem eine erste Kostenschätzung vor und erstellt einen groben Zeitplan. Die Kosten können bei aufwendigeren Umbauten über 100'000 – 150'000 Franken betragen. Im besten Fall ist es für die Patienten möglich, diese Summe selbst vorzufinanzieren, da die Abklärungen der IV bezüglich Kostenübernahme mehrere Monate dauern. Falls eine Vorfinanzierung für die Betroffenen nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung einen Antrag für die Übernahme der Vorfinanzierung zu stellen.

«Nicht selten bedarf es daher für die ersten Monate nach dem Austritt einer Übergangslösung, bis die Umbauarbeiten abgeschlossen sind.»

Der Zeitfaktor spielt eine grosse und wichtige Rolle, da viele Produkte, wie beispielsweise der Treppenlift, über eine mehrmonatige Lieferfrist verfügen. Aber auch ein Umbau des Badezimmers kann einige Monate dauern. Aus diesem Grund herrscht für die Vorbereitungen des Austritts schon ab dem Eintritt der Patienten ins Zentrum für Paraplegie ein gewisser Zeitdruck. Nicht selten bedarf es daher für die ersten Monate nach dem Austritt einer Übergangslösung, bis die Umbauarbeiten abgeschlossen sind. Die Patienten können in dieser Zeit entweder die Residenz  Balgrist nutzen oder leben befristet in einer Pflegeinstitution. An meinem Beruf als Ergotherapeut schätze ich besonders, dass wir die Patienten dabei unterstützen, ein Stück Selbständigkeit zurückzugewinnen, damit sie ihren Alltag bestmöglich meistern können.

Hartmut Pöhlmann 

ist Ergotherapeut und arbeitet seit 20 Jahren im Zentrum für Paraplegie der Universitätsklinik Balgrist.